Unexpected Friendship

Charlie beobachtete kurz, wie Mittens sich über das Futter hermachte, und strich der kleinen Katze über den Rücken, dann räumte er alles schnell weg und nahm die Katze wieder auf den Arm. Er meinte, Naya's Stimme zu hören, war sich aber nicht ganz sicher, aber irgendwie ging ihn das ja auch nichts an, oder? Er ging ins Wohnzimmer, legte seine Schlüssel im vorbeigehen noch auf den Schrank im Flur, dann ließ er sich auf die Couch fallen. "Setz dich." gähnte er, hielt sich die Hand vor den Mund und runzelte die Stirn. "Mann bin ich kaputt..." Er unterdrückte ein weiteres Gähnen, hob den Blick zu Naya und sah sie an. Mittens hatte sich auf seinen Beinen zusammengerollt und die Augen geschlossen, als würde sie friedlich entspannen, auch wenn die Kratzer an Charlies Arm darauf hindeuteten, dass sie nicht immer allzu friedlich war. "Gibts was?" fragte er noch, als er Naya's Gesichtsausdruck bemerkte.

Naya setzte sich zu ihm auf die Couch. Da wären sie schon wieder. Andere Wohnung. Andere Couch. Selbe Leute. Naja, plus-minus eine Katze. "Es gibt Neuigkeiten. Gute Neuigkeiten.", meinte sie und lächelte leicht geheimnisvoll. Was für ein Glück, dass sie sie jetzt angerufen hatten. Oder naja, zumindest ihr High-School Freund. Und Gott sei Dank konnte sie Handeln. Oder zumindest etwas so sagen, dass der Andere sich schon gar nicht mehr traute zu widersprechen. "Also die 13th will mich rekrutieren - morgen. Naja, und du bist meine Bedingung.", sagte sie selbstzufrieden und beobachtete die zusammengerollte Katze. Sie schien ja ganz friedlich, aber bei den Kratzern auf seinen Armen, traute sie ihr nicht ganz. Also unterließ sie es, sie zu streicheln. Am Ende würde sie noch ihre "Ruhephase" stören oder so etwas. Katzen schliefen schließlich viel. "Wir müssen allerdings irgendeinen Aufnahmetest machen. Wahrscheinlich aber sowieso zusammen.", fügte sie noch hinzu. Sie würden es noch früh genug herausfinden, was sie machen mussten und solange es nicht unmöglich war, hatten sie schon eine Chance.

"Morgen schon?" fragte Charlie leicht überrascht und hob eine Augenbraue. "Aber falls sie kein Interesse an mir zeigen, gehst du trotzdem." Die Sache mit dem Aufnahmetest stimmte ihn schon eher misstrauisch. Zwar war er sonst ziemlich selbstbewusst, jedoch hatte er keinerlei Erfahrung in dem Bereich. Er streckte die Beine etwas, woraufhin Mittens sich auf die Seite rollte und mit dem Pfoten an Charlies Bauch gedrückt liegen blieb. "Ahja... Und worin könnte so ein Aufnahmetest bestehen? Ich hab ja sowas von keine Ahnung von irgendwas." Er schloss kurz die Augen, bevor er Naya in die dunklen Augen sah. Man sah ihm die Müdigkeit etwas an, jedoch war er noch aufmerksam genug, um Naya's Worten zu folgen. "Bei meinem Glück dreh ich da morgen sowieso durch." Er grinste kurz, wedelte sich mit der Hand vorm Gesicht herum und pfiff, dann schüttelte er den Kopf und strich Mittens übers Ohr. "Wie heute."

Naya verzog nachdenklich ihr Gesicht. Sie war sich nicht sicher, aus was der Aufnahmetest bestehen könnte. Sie könnten es absichtlich schwierig machen, aber das glaubte sie eigentlich nicht. Wobei sie vielleicht sauer waren, dass sie eine Bedingung gestellt hatte. Sie, als absolut nichtige Person in einem großen System. Tja, das war wenigstens nicht ihr Problem. "Keine Sorge, wir schaffen das schon. Ich denke wahrscheinlich müssen wir etwas abliefern.", meinte sie leicht gedankenverloren und zuckte schließlich mit ihren Schultern. Und sie mussten wahrscheinlich auch aus dem "sicheren" Gebiet der 13th Street Gang. Das auf jeden Fall. Als er seine Panikattacke von heute erwähnte, wurde ihr Blick etwas weicher. "Selbst wenn, dann bin ich vorbereitet.", lächelte sie. "Jetzt weiß ich schließlich was du für ein schräger Typ bist.", fügte sie noch scherzend hinzu. Eigentlich war ein solches Thema nicht unbedingt zum Scherzen zu gebrauchen, aber Charlie war sowieso ein sehr lockerer Typ. Ihr gefiel seine lustige Einstellung irgendwie und auch seine Liebe zu Katzen fand sie irgendwie lustig. Auch wenn es ihr noch immer vorkam, als wäre sie auf einer Nettsein-Droge, seit sie ihn kannte. Wenn ja, hielt die Wirkung aber nicht mehr lange, denn irgendwie wurde sie langsam müder.

Charlie nickte langsam. "Wahrscheinlich..." stimmte er ihr zu. So schwer konnte es ja nicht werden, oder? Zwischen all dem Pech das Charlie ab und zu hatte gab es auch die ein oder anderen Zufälle, ausserdem war er bestimmt nicht der hirnloseste dort. Auf Naya's nächste Worte hin grinste er. "Schräg, hah. Normalos machen mir Angst." Er zwinkerte, dann hielt er sich wieder die Hand vor den Mund. Naya's Entwicklung erstaunte ihn etwas. Sie war heute noch etwas kühler gewesen, hatte sich aber im Laufe des Tages richtig aufgelockert, was garnicht zu ihrer Vergangenheit passte, doch Charlie wollte es nicht ansprechen und entschied sich, es einfach hinzunehmen, schließlich war es ja gut so wie es war. Als wollte er kurz entspannen ließ er den Kopf zurück fallen, murmelte noch etwas leises auf italienisch und schloss die Augen. Das einzige, was er noch mitbekam war, wie Mittens auf seine Schulter kletterte und sich an ihn schmiegte, dann war er schon eingeschlafen, ohne es gemerkt zu haben.

Naya lächelte, über seine Bemerkung , dass ihm Normalos Angst machten. Nun gut, irgendwie hatte er Recht. Aber was war in dieser Stadt schon die Definition von normal? Hier waren so viele Dinge, die auf jedem anderen Ort der Welt die Leute in Erstaunen versetzt hätten, völlig gewöhnlich und alltäglich. "Ich sollte bald..." Sie gähnte und kam erst gar nicht mehr dazu. Eigentlich wollte sie sagen "Ich sollte bald gehen, irgendwie bin ich etwas müde.", aber da war sie schon eingeschlafen. Zum Glück ereilte Charlie ganz kurz darauf das selbe Schicksal. Es wäre ihr sonst am nächsten Morgen unendlich peinlich gewesen, dass sie hier eingeschlafen. war. Wo war heute überhaupt ihre Selbstbeherrschung? Irgendwie war sie plötzlich weg gewesen, aber dafür hatte sie ganz schön Spaß gehabt mit Charlie. Sie würden das Ding morgen hoffentlich schon schaukeln. Solange sie im Team arbeiten mussten, sah sie darin aber auch kein Problem. Sie rollte sich im Schlaf auf der Couch etwas zusammen und ihre Atmung ging langsam. Sie schlief tief und fest.

Charlie öffnete die Augen und blinzelte in das Licht. Er war also eingeschlafen und hatte die ganze Nacht durchgepennt? Ein Blick zur Seite verriet ihm, dass Naya ebenfalls einfach eingeschlafen war, worüber er schmunzeln musste, sie jedoch nicht weckte. Mittens hatte sich über Nacht keinen Zentimeter gerührt, regte sich jedoch, als Charlie sie hochhob und dann selbst aufstand. Er gähnte lautlos, warf noch einen amüsiert wirkenden Blick auf Naya und ging dann in den Flur, von dort aus in sein Schlafzimmer, wo er sich ein weißes T-Shirt und dunkle Jeans anzog und dann ins Bad ging. Mittens folgte ihm, wartete, wenn er anhielt und hielt dann wieder Schritt, bis sie sich in der Küche auf einen der hellen Hocker setzte und mit den Schnurrhaaren zuckte. "Nicht so ungeduldig." meinte Charlie leise und strich seiner Katze über den Kopf, dann füllte er ihr etwas Futter in ihre Schüssel und stellte sie auf den Boden, bevor er sich leicht an die Theke lehnte. Seine dunkelblonden Haare waren etwas wirr, aber das ignorierte er, schließlich war er gerade erst aufgestanden. Auf der Theke lag noch ein Pizzakarton, den Charlie jedoch nicht beachtete, sondern die Kaffeemaschine anschaltete und dann an seinem Kaffee nippte, den Blick nach draussen gerichtet.

Naya blinzelte. Im ersten Moment hatte sie absolut keinen Plan, wo sie war. Dabei hatte sie abends doch gar nichts getrunken oder? Plötzlich fiel ihr wieder ein, wo sie war. Bei Charlie. Nein, um genau zu sein bei einem noch minderjährigen Typ von 17 Jahren, den sie gestern kennengelernt hatte. Was war gestern nur mit ihr los gewesen? Drogen hatte sie ihreswissens doch gar nicht genommen? Naja, wenn dann hatte sie es nicht bemerkt. Ersteinmal stand sie von der Couch auf, streckte sich und sah sich dann um. Vielleicht war er in der Küche? Doch, wo war die Küche überhaupt? Leicht verwirrt sah sie sich um, erinnerte sich dann aber, wo er gestern verschwunden war. Schnell richtete sie noch einmal ihr schwarzes Off-Shoulder Shirt. Ihre enge Lederhose konnte sowieso nicht verrutschten, aber hoffentlich sah ihre Frisur wenigstens halbwegs akzeptierbar aus. "Weißt du, normalerweise bleibe ich nie für die erste Nacht.", meinte sie scherzend, als sie die Küche betrat, damit die Stimmung nicht etwa etwas peinlich wurde. "Guten Morgen und sorry, dass ich eingeschlafen bin.", korrigierte sie sich schließlich, klang dabei aber nicht so gut gelaunt wie gestern. Kein Wunder, ich brauche meine Tabletten. Sie kramte in ihrer Hosentasche. Zum Glück hatte sie immer eine kleine Packung dabei. "Du hast nicht zufällig ein Glas Wasser?", fragte sie ihn und fischte derweilen nach der Packung. Endlich hatte sie sie in der Hand. Sie halfen ihr wirklich, auch wenn sie sie mit mehr Fröhlichkeit aufpuschten, als sie eigentlich insgesamt hatte.

Charlie starrte eine Zeit lang nach draussen, bevor eine Stimme ihn aus den Gedanken riss. Er hatte schon fast vergessen, dass Naya bei ihm war, immerhin kannte er sie erst seid gestern und das ganze war ein Zufall gewesen, wie der gesamte Verlauf des gestrigen Tages eigentlich ein einziger, witziger Zufall gewesen war. Er wendete den Blick von dem Fenster ab und drehte sich um, dann grinste er kurz und machte eine Handbewegung. "Morgen. Keine große Sache, bin ja auch eingepennt." Er stellte seine Tasse auf die helle Theke, als Naya nach einem Glas Wasser fragte, dann öffnete er den Schrank, nahm ein Glas hinaus und schenkte ihr etwas Wasser ein, bevor er ihr das Glas reichte. Mittens lief in zügigem Tempo an Naya vorbei auf Charlie zu, setzte sich vor seine Füße und miaute leise, woraufhin Charlie ihr einen Blick zuwarf und dann seinen Kaffee runterstürzte. "Also. Wann müssen wir heute da hin? Und wohin eigentlich genau?" fragte er und fuhr sich ein paar Mal durch die Haare, bevor er einen Blick auf die Uhr warf.

Naya nahm das Glas dankend an, während sie sich schon einmal eine Tablette einwarf. Sie brauchte diese Dinger noch mindestens ein Jahr. Sie pumpten sie mit Glückshormonen zu, weshalb sie auch kaum an ihre Vergangenheit denken konnte, selbst wenn sie wollte. Natürlich wusste sie, was passiert war, aber so wurde es erst einmal verdrängt. Sie spühlte die Tablette mit etwas Wasser hinunter. "Bald, er wird mich anrufen. Den Ort sagt er mir dann wahrscheinlich auch am Telefon.", informierte sie ihn. Schließlich hatte sie leider noch kaum viel mehr Ahnung als er. Klar, sie hatte schon ein paar Verbindungen zur Gang, aber wenn es zu den Aufnahmeprüfungen kam, dann war selbst ihr ex-bester Freund, die Plaudertasche unter den ganzen Heads, verschwiegen. Wahrscheinlich hatte das aber auch seinen guten Grund. "Sollte ich eigentlich irgendwas über dich wissen? Nur falls wir das zusammen durchziehen müssen. Irgendwelche anderen Dinge? Irgendwelche Ängste?" Sie sah ihn fragend an. Wenn sie ihn schon als ihre Bedingung stellte, sollte sie ihn wenigstens noch etwas besser kennen.

Charlie nickte knapp, beobachtete Naya kurz dabei, wie sie die Tabletten runterspüle, fragte aber nicht genauer nach. Er warf die Tasse fast schon in die Spüle, wo sie scheppernd zum stehen kam, dann lehnte er sich wieder leicht an die Theke und verschränkte die Arme. Naya's nächste Fragen kamen unerwartet, was man ihm wahrscheinlich deutlich ansehen konnte, denn er neigte den Kopf leicht nach vorn und starrte sie an. "Ängste? Ähh..." Noch immer hatte er keine besondere Lust auf seine Panikstörung reduziert zu werden, denn leider wusste er, wie das ankommen konnte. Aber vielleicht war Naya ja anders und sah das ganze halb so schlimm, schließlich war es eigentlich relativ ertragbar. Sie hatte es verdient, die Wahrheit zu wissen, trotzdem zögerte Charlie kurz, bevor er mit den Schultern zuckte. "Ich hab 'ne Panikstörung. Das bedeutet ich bekomm Attacken, fast schon Anfälle. Wie du... Gemerkt hast." Er tippte mit den Fingern auf der Theke herum, ohne es wirklich zu merken, dann schüttelte er leicht den Kopf. Kein Problem. "Und du?"

Naya nickte einfach nur. Sie hatte so etwas in der Art schon vermutet. Deshalb würde sie ihn jetzt aber nicht anders behandeln. Schließlich war sie weder seine besorgte Mutter, noch dachte sie, er wäre verrückt. Sie selbst hatte manchmal Albträume, die definitiv reif für die Irrenanstalt wären. "Na dann.", meinte sie und lächelte leicht. Nichts, was sie noch nicht mitbekommen hatte. Zwar war gestern das erste Mal gewesen, aber immerhin wusste sie jetzt, wie das aussehen würde. Als er sie nach ihren Ängsten fragte, erstarrte sie kurz. Sie musste nicht wirklich lange überlegen, wenn es darum ging, denn so einfache Dinge wie Spinnen oder Dunkelheit fielen bei ihr weg. "Ich, ähm..." Sie biss leicht sich auf ihre Unterlippe, denn eigentlich erzählte sie dass nicht gerne. Andererseits, was hatte sie schon zu verlieren? "Ich habe Klaustrophobie, also naja Platzangst. Ich bekomme in engen Räumen oder steckengebliebenen Aufzügen Panik und kann kaum mehr atmen." Sie sah ihn ernst an. "Wäre nett, wenn du das für dich behalten könntest." Ihr Tonfall war nicht drohend, aber sie würde es keinesfalls dulden, wenn er so etwas einfach so weitererzählen würde. Das war nämlich höchst privat.

Charlie stieß bei ihrem 'Na dann' fast erleichtert die Luft aus. Sie sah es locker, was gut war, immerhin gab es hier und da ein paar Leute, die einen riesen Wirbel darum machten. Wie das wohl in der Gang aussah? Als sie mit der Antwort zögerte, schwieg er und sah sie einfach nur ruhig an, bis sie die Stimme hob, sich auf die Lippe biss und schließlich von ihrer Angst erzählte. Klaustophobie also, nicht allzu verbreitet, soweit Charlie wusste, aber sicher war er sich nicht. Er nickte langsam und kaum merklich, als sie ihm dann sagte, er solle das ganze für sich behalten, nickte er wieder. "Klar. Mach ich." Ob er sich es nur einbildete, dass Naya etwas ernster geworden war, wusste er nicht. Sie schien anders als gestern, zwar nicht gravierend, aber leicht. Er lehnte sich kurz zurück und starrte an die Decke, bevor er zurück zu Naya sah. "Meinst du die holen mich trotz meiner Störung?" Wie er es sagte klang es fast abschätzend und irgendwie meinte er es auch so, nur das typische Grinsen auf seinen Lippen widersprach dem ganzen. Schließlich musste es ja was heißen, als neuer einen Hauch von einer Chance zu bekommen, in die 13th Street Gang zu kommen.

Naya lachte leise auf, als er fragte, ob er trotz seiner Störung wohl in die Gang kommen würde. Wenn er nur wüsste, was dort für Typen herumliefen. Manche von denen gehörten auch noch eher in die Irrenanstalt als sie beide. "Auf jeden Fall, du kennst die anderen dort ja noch nicht. Einer, der.." Ihr Handy begann zu klingeln und die hob ab. Die ihr nur allzu bekannte Stimme des Leaders nannte einen Ort und meinte, sie sollten sich etwas beeilen, dann war das "Gespräch" beendet. Sie lächelte leicht. "Komm, wir müssen los. Downtown zu einem ganz speziellen Park.", meinte sie, während sie ihr Handy in die Hosentasche steckte. Sie sollten sich besser wirklich beeilen, wenn es schon erwähnt wurde. Wahrscheinlich mussten sie wirklich etwas abliefern, schießlich würden sie sie wohl kaum jemanden erledigen lassen. Das wäre unverantwortlich und so war der Leader nicht. Zuerst reden, dann schießen. War nicht immer ihr Stil, aber wer es mochte... Sie zwinkerte Charlie zu. "Wir werden das Ding schon schaukeln."

Charlie nickte wieder, etwas beruhigt, wobei es ihm ja eigentlich hätte egal sein können. Als das Klingeln Naya unterbrach, spürte Charlie, wie Mittens zu seinen Füßen zusammenzuckte. Er konzentrierte sich kurz nicht darauf, ob Naya antwortete oder darauf, die Stimme vielleicht ein wenig zu verstehen, sondern kniete sich kurz hin und strich seiner Katze beruhigend über dem Kopf. Es gefiel ihm nicht wirklich, sie wieder alleine zu lassen, besonders, weil er nicht wusste wie lange, aber so lange würde es bestimmt nicht dauern. Als Naya dann wieder das Wort an ihn richtete, sah er auf, erwiederte ein knappes "Okay." und richtete sich dann wieder auf. "Klar, machen wir." meinte er grinsend, dann ging er an ihr vorbei in den Flur, griff nach den Schlüsseln und öffnete die Haustür, bevor er auf Naya wartete und hinter ihr abschloss. Es war leicht, aber nur ganz leicht bewölkt, ähnlich wie gestern, trotzdem musste Charlie ganz kurz gegen die Sonnenstrahlen anblinzeln. "Ich weiß den Weg aber nicht." lachte er.

Naya zuckte mit ihren Schultern. "Aber ich." Sie nahm sein Handgelenk und zog ihn einfach mit. Zwar schleifte sie ihn nicht hinter sich her oder beeilte sich extra, aber sie hielt ihn so fest, dass sie sich nicht verlieren konnten. Schließlich standen sie vor einer U-Bahn Station und fuhren in Richtung Downtown. Zu Fuß würde es viel zu lange dauern und eine Station war direkt neben dem Park. Sie brauchten also nicht wirklich lange um vor versammelter Gang zu stehen. "Willkommen, willkommen.", grüßte sie der Leader, "Wie ich sehe machst du wirklich ernst mit deiner... Bedingung." Sie ließ langsam sein Handgelenk los und starrte den Mann vor ihr ausdurckslos an. "Ich dachte ich hätte mich deutlich ausgedrückt.", meinte sie falsch freundlich. "Doch, doch. Wir werden schon sehen wir ihr euch schlägt. Ihr müsst für uns eine Lieferung abholen. Es ist nicht ungefährlich, aber nicht weit von ihr. Ihr habt zwei Stunden." Sie nickte einfach nur und zog Charlie etwas weiter weg, bis sie außer Hörweite waren. "Shit, ich war fast schon nervös.", meinte sie und lächelte wieder.

Charlie widersprach nicht, als Naya ihn einfach am Handgelenk mitzog. Er beachtete nicht wirklich, wohin sie liefen, immerhin konnte er sich den Weg sowieso nicht merken, also war es egal, sich besonders umzusehen oder nicht. Lediglich die U-Bahn-Station blieb ihm im Gedächnis. Als sie dann dem Leader gegenüberstanden schwieg er und überließ Naya das reden. Nur als er als "Bedingung" bezeichnet wurde zuckte er amüsiert mit dem Mundwinkel. Der Auftrag klang weniger gefährlich als gedacht, auch wenn der Leader betonte, es sei nicht ganz ungefährlich, aber Charlie hörte mal wieder nur das, was er wirklich hören wollte. Wieder ließ er sich von Naya mitziehen, blieb jedoch nach einigen Metern stehen und sah sie an. Ihre Worte brachten ihm zum grinsen und er zuckte mit den Schultern. "Hat man nicht gemerkt." meinte er, ließ den Blick etwas abwesend über die Umgebung gleiten und sah dann zurück zu Naya. "Zwei Stunden sind ordentlich." stellte er noch eher leise fest, nickte und blieb dann stehen, als hätte er schon völlig vergessen, warum sie hier waren.

Naya musste leicht lachen, über seine Bemerkung, dass man es sowieso nicht gemerkt hätte. Deshalb war sie eben eine gute Schauspielerin und zudem eigentlich ziemlich selbstbewusst. "Das hoffe ich doch.", meinte sie leicht lächelnd. Zu seiner zweiten Bemerkung nickte sie. Zwei Stunden waren nicht unbedingt wenig, aber die Zeit bereitete ihr auch ziemlich wenige Sorgen. Eher der Auftrag. Auf ihrem Handy erschien eine kurze Nachricht mit dem Ort. Es war wirklich nicht weit von hier, aus einem Versteck in einem öffentlichen Gebäude. Allerdings aus dem Keller. "Interessanter Ort.", murmelte sie nur und zeigte Charlie die Nachricht. Langsam machten sie sich auf den Weg und gingen in Richtung des Gebäudes. Solange alles gut lief, würde ihnen nichts passieren, außerdem konnte man sich doch im Keller gut verstecken oder? Nun okay, so ganz sicher war sie sich dann doch nicht. "Du heißt jetzt übrigens 'meine Bedingung', Charlie.", merkte sie scherzend an, denn sie hatte sein Grinsen bei den Worten des Leaders genau bemerkt. Verständlich, schließlich war es auch eine wirklich komische Bezeichnung.

Charlie wurde von Naya's Gemurmel zurück in den Ernst der Situation gezogen, auch wenn er sich sicher war, dass er ein Talent dafür hatte, jede ernste Situation irgendwie, sei es auch unabsichtlich, ins Lächerliche zu ziehen. Er musterte die Nachicht mit der Ortsangabe, runzelte leicht die Stirn und tippte sich nachdenklich mit der Zungenspitze an den Eckzahn, dann nickte er. Auf ihre nächste Bemerkung hin lachte er leise. "Hab ich gemerkt, toller Spitzname, das muss ich dir lassen." Er schüttelte mit einem Grinsen den Kopf, dann schaute er in die Richtung, in die sie gehen mussten. "Hoffentlich dauert das nicht allzu lange... Sonst dreht Mittens zuhause durch." Und wie immer seine einzige Sorge; wie es seiner Katze ging. Er zuckte kaum merklich mit den Schultern, dann warf er Naya noch einen Blick zu. "Na dann." Er grinste wieder, bevor er endlich losging, auch wenn er sich sicher war, dass er den Weg nicht wirklich wusste und Naya ihn mal wieder lenken musste.

Charlie und Naya standen also in dem Gebäude. Sie war hier noch nie gewesen, aber es handelte sich wohl um irgendein Veranstaltungszentrum oder etwas ähnliches. Jetzt war nur die Frage, wie sie in den Keller kommen sollten. Laut genug war es wenigstens, sodass Zusatzgeräusche kaum auffielen. Zum Glück war die Tür zum Keller unbewacht. "Na das ist ja mal echt einfach..." gewesen. Ja, gewesen traf es ziemlich gut. Sie standen zwar jetzt praktisch im Keller, jedoch waren überall Alarmauslöser. "Die informieren bestimmt sofort die Polizei.", meinte sie genervt, "Ich hoffe du kannst schleichen." Gut, der Leader hatte also doch nicht gelogen, als er meinte, es war nicht ungefährlich. Aber hey, sie hätten es bestimmt schlimmer erwischen können. "Ansonsten müssen wir uns hier wohl irgendwie verstecken, falls jemand von uns..." Sie warf ihm einen kleinen mahnenden Blick zu. "Den Alarm auslöst." Es war nicht so, dass sie seine Fähigkeiten anzweifelte, aber Schleichen war immer ein zweischneidiges Schwert. Man brauchte viel Glück, hatte aber meistens viel Pech.

Charlie bemerkte die Sicherheitssysteme ebenfalls und stimmte Naya nur mit einem Nicken zu. War es nun gut oder schlecht, dass er minderjährig war, wenn die Polizei tatsächlich auftauchen würde? Er wusste es nicht wirklich, jedoch konnte er sich denken, dass Naya momentan nichts weniger brauchte als die Bullen. Schade nur, dass Charlie die Verpeiltheit in Person war. Er schnaubte kurz, bevor er wie gewohnt wieder grinsen musste. "Hey, falls ich den Alarm auslöse hast du noch genug Zeit wegzurennen. Ich mein mit 17 komm ich bestimmt nicht in den Knast. Hoffentlich." Das Grinsen wurde kurz breiter, dann versuchte er wieder annähernd ernst zu werden. "Also. Qui andiamo." Er tippte Naya an aber bevor er sich versah, hatte er auch schon irgendwie den Alarm ausgelöst. "Ach scheiße..." stieß er fast enttäuscht aus, zögerte aber nicht und bog um die nächste Ecke sogar auf den Keller zu, natürlich nicht, ohne Naya mitzuziehen. Jetzt hatten er schon den Alarm ausgelöst, jetzt konnten sie sich genausogut dem Keller nähern und sich dort irgendwo verstecken. Er öffnete die nächstbeste Tür und schob Naya in den Raum, dann zog er die Tür leise hinter sich zu, sah sich kurz um und stieß ein leises "Merda." aus, als er sah, in was für einem kleinen Raum sie gelandet waren.

Naya hätte am Liebsten laut aufgeseufzt. Jetzt sprach er schon davon, dass sie es schon irgendwie schaffen würden und dann schaffte er es den Alarm auszulösen, bevor sie überhaupt angefangen hatten. Sie konnte allerdings auch nichts erwidern, so schnell wie er sie in den nächsten Raum gezogen hatte. "Te idióta.", schimpfte sie ihn und wollte gerade noch etwas sagen, als sie sich umsah. Sofort wünschte sie sich, sie hätte es nicht getan. Es war, als ob ihre Lunge nicht mehr funktionieren würde und sie schloss langsam ihre Augen. Konzentrieren,... ausatmen, einatmen, aus... und dann ein. Ihre Hände verkrampften sich in ihren Oberschenkeln und sie versuchte sich wieder auf das atmen zu fokusieren. Aber es klappte nicht. Sie konnte es einfach nicht. Langsam überkam sie Panik. "Ch-Charlie, ich b-bekomme keine Luft mehr.", flüsterte sie, obwohl sie zu viel mehr auch gar nicht in der Lage gewesen wäre. Normalerweise würde sie solch ein Verhalten bei sich auf keinen Fall akzeptieren, aber sie wusste auch, dass man gegen Phobien nichts unternehmen konnte. Es war als ob die Wände quasi auf sie zukommen würden und auch wenn sie die Augen geschlossen hatte, passierte es in ihren Gedanken. Sie kamen näher und näher und näher...

Charlie ignorierte es, als Naya ihn beschimpfte, wünschte sich jedoch, sie würde weiter machen, anstatt sich den Raum genauer anzusehen. Zu spät. Er konnte nachvollziehen, wie sie sich fühlen musste, auch wenn sich die Angst ein wenig anders äußerte als bei ihm, aber es war ja auch eine völlig andere Phobie. Auf ihr Flüstern hin trat er auf die zu, legte die Hände leicht auf ihre Schultern und schob sie sachte zur Wand, dann leicht nach unten, sodass sie sich auf den Boden setzten musste. Er kniete sich vor sie, ließ ihr aber etwas Platz, dann sah er sie an. "Hey, ganz ruhig." meinte er beruhigend, aber leise, sodass niemand vor der Tür ihn hören konnte. Er konnte die Schatten vor her Tür vorbeihuschen sehen, was ihn beruhigte, immerhin kam niemand auf die Idee, dass sie sich hier versteckten. Idioten. Aber jetzt galt seine Konzentration erst einmal Naya. Er strich ihr über die Schulter, wartete, dass ihr Atem sich beruhigte oder sie irgendeine andere Reaktion zeigt. "Dir passiert nichts. Du musst nur ruhig atmen." erklärte er, während ihm das ganze ziemlich bekannt vorkam. Seine Hand ruhte immernoch beruhigend auf ihrer Schulter und er hoffte, dass ihre Panik abklingen würde oder sie schnell genug wieder aus dem kleinen Zimmer raus konnten. Zwar hatte er nicht gedacht, Naya jemals in diesem Zustand zu sehen, aber anscheinend hatte auch sie ihre Schwächen.

Naya holte viel zu ruckartig und eigentlich auch viel zu wenig Atem. Obwohl sie sonst eigentlich immer beherrscht war, gegen so etwas konnte sie einfach nichts unternehmen, auch wenn sie das nur noch mehr anspannte. Sie hasste es die Kontrolle zu verlieren. Langsam öffnete sie ihre Augen und sah Charlie an. Der Raum war zwar relativ dunkel, aber sie konnte ihn deutlich erkennen und er schien wirklich versuchen sie zu beruhigen, wo er schon Schuld war, dass sie überhaupt hier drinnen waren. Seine Stimme hörte sie gedämpft und es dauerte etwas, bis sie seine Worte verstand. Sie nickte vorsichtig, als Zeichen, dass sie ihn verstanden hatte. Irgendwie war ihr klar, dass sie allen Grund hatte ihn zu hassen. Nicht wegen dem Alarm, das konnte jedem passieren, aber er hatte in den letzten Stunden so viel aus ihr herausbekommen, wie manche in Jahren nicht. Komischer Kerl, wirklich komischer Kerl. "Verdammte scheiße.", flüsterte sie, während sie ihn weiter anstarrte. Sie schaute ihm aber nicht in die Augen, sondern ungefähr auf Brusthöhe, dorhin wo sie die Wände am wenigsten sehen konnte. Zum Glück hatte sie genug Selbstdisziplin um nicht zu weinen wie früher. Das, wäre ihr dann wirklich peinlich gewesen.

Charlie ließ bei ihrem leichten Nicken die Hand sinken, um ihr nicht allzu sehr auf die Pelle zu rücken. Er musterte sie kurz prüfend, hörte ihrem hektischen Atem zu und blendete die Geräusche vor der Tür fast völlig aus. Bei ihrem leisen Fluch zuckte er fast niedergeschlagen mit dem Mundwinkel. War doch klar gewesen, dass er wieder alles versaute, aber immerhin hatte er es ihr vorher gesagt, auch wenn das jetzt ja nichtmehr wirklich viel brachte. Ihm entfuhr ein Seufzen und er runzelte leicht die Stirn, bevor er sich wieder etwas lockerte. "Gleich können wir wieder hier raus, keine Sorge." meinte er nur zuversichtlich und lächelte sogar leicht, bevor er sich mit der Hand durch die dunkelblonden Haare fuhr und die Augen kurz schloss. "Ich Idiot." Mit einem Kopfschütteln öffnete er die Augen wieder, ließ seine Hand in seinem Nacken, blieb aber weiterhin vor Naya auf dem Boden. Er konnte hören, wie sich die Schritte vor der Tür entfernten und auch die angespannten Stimmen lösten sich auf, bis es irgendwann zwar noch etwas unruhig, aber nichtmehr ganz so durcheinander war.