Unexpected Friendship

Naya schüttelte ihren Kopf und lauschte den Geräuschen vor der Tür. Sie schienen langsam leiser zu werden, oder? Hoffnung flammte in ihr auf und vertrieb die Panik. Solange sie mit all ihrer Selbstdisziplin verhinderte, dass sie an den Raum dachte, in dem sie war, konnte sie es schaffen. Sie war immerhin nicht umsonst stark. Sie war oft genug in so einer Situation gewesen, also musste sie es einfach schaffen. Sie musste sich ablenken. Langsam glätteten sich ihre Atemzüge. "Keine Sorge, wenn sie weg sind, überlass mir das.", flüsterte sie leise und strengte sich an, fest zu klingen. Jetzt hatte sie keine Lust noch mehr Schwäche zuzulassen. Egal, wie wenig sie dafür konnte, sie gab sich immer selbst die Schuld. Natürlich war sie aber auch klug genug um einzusehen, dass so etwas sich nicht verhindern lässt. Ihr Herz pumpte immer noch wie verrückt und ihr war, als hätte sie bis zum Umfallen trainiert. Nur diesmal pumpte es nicht vor Anstrengung, sondern vor Angst. Oh, wie sie dieses Gefühl hasste. Sie hatte schon so viel Angst gesehen und erlebt, irgendwann machte es keinen Unterschied mehr. Irgendwann war es einfach nur mehr Hass.

Charlie kniff leicht die Augen zusammen, als er sich darauf konzentrierte, auf die Geräusche vor der Tür zu hören. Er lehnte sich leicht zurück, beobachtete die Schatten am Türschlitz, die vorbeihuschten, ohne zu zögern, bis es schließlich immer weniger wurden. Dass Naya's Herz wie verrückt pumpte, merkte er nicht, konnte es sich aber denken, da er ja oft genug selbst in einer solchen Situation festhing. "Okay." stieß er leise und konzentriert aus, blinzelte und richtete sich dann in einer schnellen aber lautlosen Bewegung auf. Zwar hatte er immernoch keine Ahnung, wie genau er es geschafft hatte, den Alarm auszulösen, aber da er es jetzt sowieso nichtmehr ändern konnte, konnte es ihm genausogut egal sein, zumindest solange es jetzt keine Nachteile mit sich zog. Ich schätze das wars. dachte er, den Blick der braunen Augen weiterhin auf die Tür gerichtet. Läuft ja prima. über seine eigene Ironie hin stieß er ein leises Schnauben aus, auch wenn er das Gedachte nicht laut ausgesprochen hatte.

Naya stand auf und klopfte Charlie im vorbeigehen zwei Mal auf seine Schulter. "Danke.", murmelte sie ihm zu und öffnete die Tür. Niemand war mehr her. Sie analysierte schnell die Alarme. Gut, aufgerichtet würde sie ihr Ziel nie erreichen, weshalb sie sich ihren Weg ausrechnete. Im Handstand ungefähr zwei Meter nach vorne, sanft auf den Boden gleiten lassen und dann einen halben Meter am Boden entlang, aber seitlich. Schließlich noch einen Überschlag. Sollte zu schaffen sein., dachte sie sich. Innerhalb kürzester Zeit war sie geräuschlos dort angekommen. Zu lange hatte sie schon trainiert, um so etwas zu versauen. Sie sah den kleinen Tresor an, der ein vierzahliges Zahlenschloss hatte. Meist gab es irgendwo einen Hinweis... so wie auch hier. Auf der Seite war etwas eingraviert. Aber leider nicht auf Englisch. "Shit, das ist keine Sprache, die ich kann.", murmelte sie. War es vielleicht Italienisch oder eine andere Sprache, die Charlie konnte? Nun, versuchen konnte sie es. Irgendwie hatte sie aber eine Vermutung, dass es wahrscheinlich genau Italienisch war. Diese miesen Schweine wollten es ihnen wirklich nicht einfach machen. "Charlie, was heißt 'prima età del bronzo storia'?"

Charlie folgte Naya leicht überrascht mit dem Blick, bevor er eine Augenbraue hob, sich umdrehte und ebenfalls nach draussen ging, aber diesmal wesendlich vorsichtiger und aufmerksamer. Er musterte die Alarme misstrauisch und kaute sich nachdenklich auf der Lippe herum. Gut, dann war hier wohl Schluss für ihn, für Naya allerdings schien das kein Problem zu sein. Er lehnte sich leicht an den Türrahmen. Es verschlug ihm dir Sprache, wie geschickt Naya den Sensoren auswich, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken. Als wäre es alltäglich für sie, einfach mal irgendwo einzubrechen. Er starrte sie kurz an, bevor er sich wieder fasste. Ihr leises Murmeln, als sie beim Tresor angekommen war, verstand er nicht, die darauffolgende Frage jedoch vernahm er deutlich. "Frühe Bronzezeit." übersetzte er, wenn auch leicht überrascht. Wenigstens etwas konnte er tun, war also wohl doch gut, so viele Sprachen fast perfekt zu beherrschen.

Naya sah Charlie an, der sie für kurze Momente überrascht angestarrt hatte. Natürlich, niemand vermutete, dass jemand so trainiert sein konnte. Schon gar keine Frau aus irgendeiner Mittelschicht. Nun, die Umstände wie es dazu gekommen war, waren aber leider nicht erfreulich. Aber jetzt konnte sie wohl kaum an ihre Vergangenheit denken. Auf seine Worte hin lächelte sie. "2300 v. Chr, hab ich euch ihr Schweine.", meinte sie halblaut zu sich selbst. Das waren sie, Schweine. Sie hatten wahrscheinlich genau gewusst, wie schwierig es werden würde. Tja, leider hatte ihr Plan sie einzuschüchtern fehlgeschlagen. Fallen konnten sie nicht beeindrucken und akrobatische Herausforderungen schon gar nicht. Sie drehte die Zahlen auf 2-3-0-0 und das Schloss klickte. Der Tresor war offen. Ein großer Briefumschlag war darin und als sie ihn herausnahm fühlte er sich an, als wäre er gefüllt mit Zeitungspapier oder eine andere Füllmasse. Wahrscheinlich waren darin zwei bis drei Waffen eingewickelt oder eine große Ladung Drogen. Genau abschätzen konnte sie es nicht. Leise schloss sie den Tresor wieder. Vorwarnen hätten sie sie wenigstens können. Oder ihnen das Passwort sagen. Aber nein, wahrscheinlich waren sie noch immer einfach sauer, wegen ihrer "Bedingung". Sie hielt es eng an ihren Körper, während sie sich ihren Weg zurückbahnte. Zum Glück löste sie nichts aus, wobei sie den Überschlag durch einen einfacheren Sprung mit Abrollen ersetzte. Schließlich wollte die die Lieferung nicht unbedingt zerstören. "Und jetzt nichts wie weg.", meinte sie, während sie das Kuvert festhielt.

Charlie konnte noch hören, wie Naya fast triumphierend etwas murmelte und anschließend schwieg. Das Passwort hätten sie ihnen ruhig sagen können, war ja irgendwie auch ein Zufall gewesen, dass die Gravur auf italienisch gewesen war, und dass Charlie italienisch konnte, hatte der Leader ja eigentlich nicht wissen können. Glück gehabt. Und Naya's Talent eben. Er beobachtete sie genau, als sie mit dem Umschlag, der in dem Tresor gewesen war, zurück zu ihm kam. Auf ihre Worte hin nickte er knapp, musterte den Umschlag kurz und drehte sich dann um, bevor er wieder zurück ging, da er jetzt ungefähr wusste, wo der Ausgang war und wohin er besser nicht gehen sollte. "Denkst du immernoch, dass es 'ne gute Idee gewesen war, mich mitzunehmen?" fragte er mit einem Grinsen, meinte die Frage aber halbwegs ernst. Wieder ließ er kurz den braunen Blick schweifen, bevor er Naya kurz musterte. Er hatte irgendwie das Gefühl, dass er sie anders kannte als die anderen, auch wenn er nicht wusste inwiefern und ob das gut oder eher schlecht war.

Naya ging in die Richtung des Ausgangs, während sie den Umschlag mit der rechten Hand losließ und ihn einfach nur mehr mit Links festhielt. Wahrscheinlich würden die Leute sowieso nicht hinsehen. In New York hatte jeder gerade erst einmal einen Blick für sich, wenn überhaupt. Auf Charlies Frage hin, lächelte sie leicht. "Natürlich, oder seit wann spreche ich Italienisch? Oder helfe mir in..." Sie öffnete die Tür. "...in Umständen?" Es war natürlich nicht wirklich ein Umstand gewesen, in Panik zu verfallen, aber jetzt, wo sie wieder ganz in ihrem Element war, konnte sie nicht anderes, als es zu verharmlosen. Außerdem war sie noch immer auf diesen verdammten Glückshormonen. Naja, wenigstens brauchte sie die nicht mehr allzu lange. Kaum waren sie endlich wieder im Park, drückte sie das Paket dem Leader in die Hand. Er öffnete es und nickte nur. "1 1/2 Stunden, was habt ihr so lange gemacht?" Sie sah ihn etwas spöttisch an. "Das Passwort hast du uns natürlich nicht sagen können. Aber, kein Problem, du hast uns schließlich auch 2 Stunden gegeben. Ich erwarte spätestens morgen einen Anruf.", meinte sie kalt und drehte sich einfach um. Bloß weg von hier und wieder zurück nach Hause. Sie hatte keine Lust mehr Details über diesen kleinen Ausflug auszuplaudern. Sie lächelte Charlie leicht an. "Ich finde, es war eine ausgezeichnete Idee dich mitzunehmen.", flüsterte sie ihm im Weggehen zu.

Charlie ging neben Naya her, zuckte bei ihrer Antwort mit den Schultern, beließ es aber dabei. Stimmte ja irgendwie. Wäre er nicht so verdammt verpeilt. Auch, dass sie die Panik, die sie empfunden hatte, jetzt nur als "Umstand" bezeichnete, störte ihn nicht sonderlich, warum auch, schließlich war es nichts, was man irgendwie an die große Glocke hängen musste oder so, ausserdem hatte er nicht vor, auch nur ein Wort darüber zu verlieren. Rein aus Respekt und auch, weil sie ja auch keinen Wirbel um seine Panikstörung machte. Zurück im Park schaute er den Leader nur kurz an, wirkte fast desinteressiert, weil er eher in Gedanken war, auch bei seiner Katze - konnte es eben einfach nicht lassen. Lediglich Naya's spöttischer Tonfall brachte ihn wieder leicht zum Grinsen. Als sie sich umdrehte, folgte er ihr wie eben auch schon, grinste etwas breiter, als sie ihn anlächelte und stieß dann ein amüsiert klingendes Schnauben aus. "Na dann." erwiederte er, ließ den Blick über den Park schweifen und nahm dann kurz sein Handy raus. Nichts besonderes, außer eine Nachricht auf Französisch, auf die er nur schnell antwortete und das Handy dann wieder wegsteckte. Ein Gähnen konnte er sich nicht verkneifen. "Ich könnte jetzt echt nen Kaffee vertragen."

Naya nickte ihm nachdenklich zu. Er hatte Recht, Kaffee könnte sie auch wirklich vertragen. Dieser Tag war aber auch stressig gewesen und anstrengend. Und damit war noch nicht einmal der Teil gemeint, wo sie die ganzen Alarme übergangenhatte. Das war eigentlich sogar kinderleicht gewesen. "Bei dir? Bei mir? In der Stadt?", fragte sie ihn leicht lächelnd. Da sie so oder so schon in den Wohnungen gewesen waren, spielte das jetzt auch schon keine Rolle mehr. In seiner hatte sie sogar übernachtet. Unfreiwillig. Wobei, unfreiwilliges übernachten war vielleicht nicht der richtige Ausdruck. Das klang so ganz anders, als es gewesen war. Versehentlich traf es schon besser. "Gott, ich liebe es, wenn ich schamlos arrogant sein kann.", brach es aus ihr heraus und ihr Lächeln verbreitete sich. In der Gang konnte sie genau das und es würde ihr auch noch Respekt einbringen. Oja, sie würde dort definitiv ein schönes Leben haben. Außerdem würden die zukünftigen Aufträge auch nicht so ausarten, denn sie hätten einen Plan. Ja, sie war zufrieden mit sich. Und mit Charlie, auch wenn er wirklich etwas verpeilt war. Nun gut, sehr verpeilt.

Charlie grinste auf ihre Frage hin. "Bei mir." antwortete er, ohne viel zu erklären. Seine Katze war schon viel zu lange alleine gewesen. Später, in einem halben Jahr oder so, wäre das sicherlich kein Problem, da konnte er sie ruhig einmal ein paar Stunden oder einen Tag lange alleine lassen, aber jetzt, wo sie noch so klein war, tat er das eher widerwillig. Aber das musste Naya ja nicht unbedingt wissen. Ihre nächste Aussage brachte ihn zum schmunzeln und er warf ihr einen Blick zu. "Mh. Kommt echt überzeugend rüber." meinte er mit einem Zwinkern, auch wenn er sich nicht hundertprozentig sicher war, ob sie das wirklich nur spielte oder ob es ein Teil von ihrem Charakter war. Klar, es wäre nicht weiter schlimm, wäre sie ab und zu arrogant oder sogar ignorant, schließlich hatte jeder so seine Macken, jedoch würde es nicht so ganz zu der Naya passen, die er die letzten zwei Tage so kennen gelernt hatte. Zwei Tage, hah. schoss ihm durch den Kopf und er unterdrückte ein Grinsen. Trotz des Altersunterschiedes verstand er sich prima mit Naya, was er irgendwie schon lustig fand, immerhin hatten sie nicht gerade viel gemeinsam. Naya würde in der Gang wahrscheinlich richtig aufblühen, Charlie dagegen hatte das Gefühl, dass er sich eher raushielt, jedoch alles im Auge behielt, was auch nicht gerade das schlechteste war.

Naya grinste leicht, während sie die Treppen zur U-Bahn Station hinunterging. Es war irgendwie komisch, dass sie sogar schon wusste, wie sie von Downtown zu seiner Wohnung kam. Naja, so konnte sie ihn immerhin zwischenzeitlich etwas nerven. "Also entweder heißt das, ich bin eine fabelhafte Schauspielerin oder ein arrogantes Arschloch.", meinte sie scherzend, "Ich hoffe für dich du meinst ersteres." Natürlich wusste sie, dass sie beides war. Oder Zweiteres zumindest sein konnte, wenn sie denn wollte. Bei Charlie wollte sie es zum Beispiel bis jetzt noch nie, auch wenn er manchmal ein ziemlicher Idiot sein wollte, wie sie festgestelllt hatte. In wirklich kurzer Zeit standen sie auch schon wieder bei seiner Wohnung. Erstaunlicherweise hatte ihre U-Bahn noch nicht einmal Verspätung. Heute war wirklich, nun, den ausgelösten Alarm mal abgesehen, einer ihrer Glückstage. "Normalerweise komme ich nie zurück, wenn ich schon mal für ne Nacht da war, fühl dich also geehrt." Sie war wirklich in guter Laune, immerhin hatte sie die gefährlichste Gang der Stadt aufgenommen. Außerdem konnte sie ja auch lustig sein, aber eben nur, wenn sie auch wirklich wollte.

Charlie folgte Naya wie üblich, wodurch ihm bewusst wurde, dass er sich immernoch kaum auskannte - aber weiter schlimm war das ja nicht. "Klar, das meinte ich." lachte er und zwinkerte, bevor er sich kurz auf der U-Bahn Sation umsah. Es dauerte nicht lange, bis sie bei ihm angekommen waren und seltsamerweise war auch recht wenig los gewesen, aber um sich darüber jetzt den Kopf zu zerbrechen, hatte Charlie nicht genügend Geduld. Er sperrte die Wohnungtür auf, lachte bei Naya's Bemerkung leise und warf ihr einen amüsiert wirkenden Blick zu, bevor er die Tür aufstieß und in den Flur trat. "Tja, ich bin eben ein echter Magnet." meinte er noch, warf die Schlüssel auf die Kommode und bedeutete Naya, ihm zu folgen. Ohne sonderlich zu warten, ging er rüber in die Küche, sah sich um und kniff leicht die Augen zusammen, da Mittens nicht sofort angerannt kam. "Mh..." Er biss sich auf die Lippe, ging noch einen Schritt, da kam die kleine Katze auch schon aus dem Flur auf ihn zu geschossen, ohne Naya auch nur eines Blickes zu würdigen. "Da bist du ja." meinte Charlie, kniete sich vor Mittens und kraulte sie am Hals, woraufhin sie ein Schnurren ausstieß. Nach ein paar Momenten stand Charlie wieder auf, nahm zwei Tassen aus dem Schrank und schaltete die Kaffeemaschine an, kochte die zwei Tassen und stellte beide auf die Theke, bevor er etwas Zucker und Milch sowie zwei Löffel dazulegte, auch wenn er selbst seinen Kaffee schwarz trank.

Naya warf ihm einen gespielt schmachtenden Blick zu, der dann aber in einen gespielt Genervten abrutschte. Ob er beliebt war in der Frauenwelt, konnte sie nicht unbedingt beurteilen, aber er war ihr so oder so zu jung. Außerdem war sie noch nie mit einem guten Freund ins Bett gegangen. Wieso auch? One-Night-Stands waren viel einfacher und man sah sie am nächsten Tag wenigstens nicht mehr. "Deine Katze ist schon irgendwie...", sie musterte die Katze, die sofort auf ihn zugeschossen kam, "...leicht in dich verliebt?" Sie versuchte es vorsichtig zu formulieren, denn es kam ihr so vor, als wäre er bei seiner Katze, Mittens, wirklich etwas heikel. Wie eine alte verrückte Oma, mit ihrer Alt-Katzen-Sammlung. Nur, jünger. Viel jünger. Leicht amüsiert schüttelte sie ihren Kopf, während sie ihm in die Küche folgte. Als er Zucker und Milch auf den Tisch stellte, überlegte sie sich, ob sie ihm sagen sollte, dass sie ihn fast immer ganz schwarz trank. Mit höchstens einem kleinen bisschen Milch. Aber schließlich wusste sie nicht, ob er es lieber süßer mochte, also hielt sie einfach ihren Mund. Immer musste sie auch nicht ihren Kommentar dazu abgeben.

"Kann sein." erwiederte Charlie grinsend, zuckte aber dann mit den Schultern und warf einen Blick auf Mittens, die ein paar Schritte neben ihm auf dem Boden saß und ihn ansah. Er bedeutete Naya mit einem Kopfnicken, sich zu setzten, dann hockte er sich selbst an den Tisch, gähnte und legte die Arme auf die Tischplatte, bevor er den Kopf auf die zerkratzten Arme legte und schnaubte. "Ernsthaft, das war so verdammt knapp mit dem Alarm." murmelte er kniff die Augen zusammen und hob den Kopf wieder, die Arme ließ er jedoch auf dem Tisch liegen, griff nur nebenbei nach einer der Tassen und stürzte ein paar Schlucke Kaffee hinunter, auch wenn der eigentlich noch viel zu heiß war. "Naja." wieder zuckte er mit den Schultern, tippte an die Tasse, die ein leises Klirren von sich gab, dann starrte er auf die Tischplatte. Mittens war ebenfalls an den Tisch gelaufen, sprang auf Charlie's Schoß, der jedoch beachtete das nicht sonderlich, da er es gewohnt war, immerhin schlief seine Katze sogar bei beziehungsweise halb auf ihm. Ich hoff ja, dass das nicht zu viel wird. Die Gang und dann noch die Ausbildung. Naja, ganz blöd bin ich ja nicht."

Naya musste über ihn und seine Katze kurz schmunzeln und setzte sich dann. Sie sah sich etwas mehr in der Küche um. Sie war hier zwar schon gewesen, aber in der Früh war sie nur halb so aufmerksam gewesen. Es war wirklich keine hässliche Wohnung, wenn auch etwas kleiner als ihre eigene. Eigentlich gefiel sie ihr ziemlich gut. Ihre war noch etwas weniger eingeräumt und sie hasste diese blöden Umzugskartons in ihrem Schlafzimmer. Zu dem Kommentar zum Alarm nickte sie. "Pass das nächste Mal etwas besser auf.", meinte sie leicht lächelnd. Sie nahm es ihm überhaupt nicht übel, denn was vorbei war, war nun einfach vorbei. Ändern konnte man es sowieso nicht mehr, außerdem war sie ihm sowieso dankbar dafür, dass er ihr geholfen hatte. Oh, wie sie ihre Schwächen verabscheute. "Hm, welche Ausbildung machst du eigentlich genau?", fragte sie ihn schließlich einfach. Ihr wurde gerade wieder klar, wie wenig sie eigentlich über ihn wusste. Aber das machte ihr schließlich nichts aus. Sich kennenzulernen war das wenigste Problem, das man haben konnte.

Charlie stieß nur ein zustimmendes Brummen aus, beließ es aber dabei. "Krankenpfleger." er grinste wieder, als hätte er seine gedämpfte Laune vor einem Moment auch schonwieder vergessen. "Wobei auch eher wegen dem Geld, so richtig interessieren tut's mich nicht wirklich." War ja auch nicht so wichtig. Zwar baute er eine Menge Scheiße, auch während der Ausbildung und allgemein, aber er hatte nunmal so seine Tricks, nicht immer erwischt geschweige denn irgendwann einmal einfach gefeuert zu werden. Bis jetzt lief immer alles gut. Er drehte nachdenklich die Tasse, bevor er den Blick vom Tisch abwand und Naya ansah. "Und sollte ich noch irgendwas über dich wissen? Oder willst du noch was erzählen?" Er zwinkerte, immerhin hatte sie diese Frage das letzte mal gestellt, als es um Ängste ging. Zwar wusste er nicht genau, ob nach der Aufnahme in die Gang der Kontakt auch schonwieder abbrach, aber er würde es ja sehen. Dass ihr das ganze zu Kopf stieg, bezweifelte er nämlich, dafür war sie einfach viel zu nett.

Naya nickte langsam. So ganz konnte sie sich ihn als Krankenpfleger nicht vorstellen, aber das musste sie auch nicht. Solange er nicht versuchte sie wiederzubeleben. Da hätte sie mehr Angst um ihr Leben. Aber wer weiß, vielleicht war er gar nicht so schlecht. Dumm wirkte er jedenfalls nicht, auch wenn er sich sehr oft wie ein richtiger Idiot benahm. "Oh, ich werde bald ins Wirtschaftsgeschäft einsteigen. Verhandlungen, Anwälte, Chefstuhl. Solche Dinge.", meinte sie schulterzuckend. Es war nicht allzu besonders hier in New York mit der Ausnahme, dass sie wahrscheinlich wirklich geeignet für den Posten war. Sie hatte ausreichend Ausbildung, ihr Studium und hatte auch sonst die besten Eigenschaften für diesen Beruf. Oder zumindest konnte sie diese so spielen, als hätte sie sie. "Ansonsten... ich kenne mich mit allen möglichen Handfeuerwaffen vorzüglich aus, liebe New York und bin single, mit gelegentlichen One-Night-Stands.", zählte sie ihm ein paar Fakten über sich auf, die ihr gerade in den Sinn kamen. Eigentlich nichts besonderes in New York. Sie nahm einen Schluck aus ihrer Tasse. Der Kaffee war noch etwas heiß, aber schmeckte nicht übel. Sie lächelte Charlie leicht an. "Und was gibts über dich noch so zu erzählen?"

"Passt irgendwie zu dir." antwortete Charlie ehrlich und nickte, als wollte er seine eigene Aussage bestätigen, auf ihre Aufzählung hin stieß er ein amüsiert klingendes Schnauben aus. Dass sie sich mit Waffen auskannte, konnte er sich gut vorstellen, ihre Liebe für New York war auch offentsichtlich, immerhin hatte sie den Weg zurück zu seiner Wohnung gefunden, er selbst wäre ersteinmal stundenlang umhergeirrt. Dass sie single war, hätte er ihrer Wohnung ansehen können, wenn er darauf geachtet hätte, und die One-Night-Stands konnte sie sich durchaus leisten. "Mh... Keine Ahnung." fast nachdenklich strich er Mittens über den Rücken, sie regte sich jedoch nicht und blieb einfach still und mit geschlossenen Augen liegen. "Ich hab ziemlich lange in Frankreich gewohnt, bin single und wäre eigentlich zurück nach Frankreich gezogen, hätte ich die Ausbildung nicht angefangen." Er nickte fast nachdenklich, kaute auf seiner Lippe und lachte dann leise in sich hinein.

Naya hörte ihm aufmerksam zu. Gut, das waren jetzt nicht wirklich weltbewegende Neuigkeiten, aber ihre waren schließlich auch nicht unbedingt total spannend gewesen. Wobei, dass er in Frankreich gewohnt hatte, fand sie schon interessant. Sie selbst war nur einmal in Europa gewesen und das mit elf. Damals hatte sie ein paar Verwandte mit ihrer Mutter in Ungarn besucht. Sie waren alle sehr nett gewesen und sie erinnerte sich noch genau daran, dass sie sich gewünscht hatte, dort bleiben zu dürfen. Kindisch und naiv, hatte sie ihre Mutter genannt. Sie schüttelte ihren Kopf. Jetzt wollte sie nicht an früher denken. "Und wie ist es in Frankreich so?", fragte sie ihn und legte ihren Kopf schief. Das tat sie immer, wenn sie eine Frage beschäftigte, oder sie sich auf die Person vor ihr komplett konzentrierte, was aber seltener vorkam. "Ich habe gehört Französinnen sind furchtbar kompliziert.", meinte sie und zwinkerte ihm verschwörerisch zu. Natürlich waren das nur Klischees, aber anscheinend steckte hinter solchen doch immer ein wahrer Kern, oder?

Charlie konnte sehen, dass Naya kurz, aber nur ganz kurz, in Gedanken schwelgen zu schien, bevor sie ihn fragend ansah und genauer nachfragte. Er zuckte mit den Schultern, lachte bei ihrer Bemerkung und tippte sich wie gewohnt mit der Zungenspitze an den Eckzahn. "Das stimmt schon..." murmelte fast enttäuscht er auf die Annahme, Französinnen seien kompliziert, dann antwortete er auf die erste Frage. "Anders... irgendwie. Vorallem teuer, je nachdem wo man ist. Aber das Meer in Südfrankreich ist echt toll, das einzige was nervt ist, dass man einfach überall Wein bekommt, egal wie als man ist." Er seufzte, dann grinste er wieder. "Und eben das ständige Küsschen links und rechts. Manchmal ganz praktisch, auf großen Festen aber einfach nur nervig." Er stürzte noch etwas Kaffee hinunter, stellte die Tasse unsanft auf den Tisch und zupfte dann an seinem Shirt, bevor er kurz aus dem Fenster sah. Das Wetter hatte sich kein bisschen verändert, aber er wusste nicht, wieso genau er darauf achtete.

Naya hielt ihren Kopf noch immer etwas schief, während sie sich zuhörend durch ihren Pferdeschwanz fuhr. Frankreich schien wirklich eine andere Welt zu sein. So anders als Ungarn, geschweige denn von Amerika. Trotzdem wäre sie irgendwie gerne einmal hingefahren. Wobei, mit ihren Eltern? Schlechte Idee. Dann war es wohl doch besser, wenn sie es irgendwann machte, wenn sie hier genügend Geld und alles hatte. "Und gehst du irgendwann zurück?", fragte sie ihn. Sie selbst hatte sich nämlich überlegt nach Ungarn zu gehen, aber hier in NYC hatte sie eben studiert und ihre erste, richtig glückliche Zeit verbracht. Außerdem hatte sie viele nette Leute kennengelernt, sich aber eigentlich mit kaum jemanden richtig angefreundet. Außer mit Charlie jetzt, wobei sie sich noch nicht ganz sicher war, was sie jetzt eigentlich waren. Aber egal, das hatte Zeit. "Also ich persönlich wollte schon immer Mal eine Weltreise oder so etwas machen. Einfach ein paar Orte bereisen.", schwärmte sie plötzlich. Ja, wenn sie in Plauderlaune war, konnte sie auch etwas private Sachen preisgeben, wobei sie immer sehr vorsichtig war. Schließlich konnte man nicht jedem jedes erzählen.

Charlie zuckte leicht mit den Schulter. "Ich glaub schon..." Er würde tatsächlich gerne wieder zurück nach Frankreich, wusste jedoch genau, dass das ja momentan wegen der Ausbildung nicht ging und wahrscheinlich auch später kaum möglich war. "Eine Weltreise? Brr, das wäre mir viel zu anstrengend." Er zuckte mit dem Mundwinkel, eine Hand ruhte immernoch auf Mittens. Tatsächlich war er zwar jemand, der sich an fast nichts und vor allem niemanden lange Zeit binden konnte, das passte einfach nicht zu ihm und gewohnt war er es auch nicht, doch um andauernd umzuziehen hatte er zu wenig Geduld und wahrscheinlich auch zu wenig Geld. Wie das bei Naya aussah, wusste er ja nicht.
"Ich dachte dir gefällts hier so gut." meinte er grinsend, schüttelte dann jedoch den Kopf. "Ach, meldet sich der Leader eigentlich irgendwann noch?" Er sah sie kurz fragend an, bevor er gähnte und sich die Hand vor den Mund hielt. Mit einer Bewegung legte er sein Handy auf den Tisch, um direkt zu sehen, wann und ob eine Nachicht kam.

Naya grinste ihn verschwörerisch an, als er fragte, wann sich der Leader melden würde. Die Wahrheit war, dass er sich eigentlich schon gemeldet hatte. Aber sie wollte Charlie einfach noch etwas zappeln lassen. Langsam holte sie ihr Handy hinaus und entsperrte es. Dann zeigte sie ihm folgende Nachricht:

"Hab schon besseres gesehen - aufgenommen, deine kleine Bedingung auch [R]."

Sie zuckte mit ihren Schultern und sah ihn leicht entschuldigend an. "Sorry, aber es dir einfach so sofort zu zeigen, wäre viel zu einfach gewesen.", sagte sie noch immer grinsend. Okay, es war schon ein wenig fies gewesen, aber irgendwie war ihr von Anfang an klar gewesen, dass sie es schaffen würden. Charlie offensichtlich nicht. "Jetzt bist du übrigens nicht nur meine Bedingung, sondern auch noch klein." Sie sah ihn feixend an. Dass sie aus der offenbaren Herablassung des Leaders einen Witz machen würden, damit hatte dieser wohl auch nicht gerechnet. Wobei Charlie keineswegs klein war. Sie schätze ihn drei, vier Zentimeter größer als sich ein, also ungefähr 1,80. Natürlich war ihr klar, dass klein in diesem Fall ein Synonym für mickrig oder schwach sein sollte. Aber irgendwie war sie sich sicher, dass er auch das nicht war.

Charlie zog zuerst keinen besonderen Schluss aus Naya's Grinsen, als sie dann jedoch ihr Handy raumkramte und ihm die Nachricht zeigte, stieß er eine Mischung aus Lachen und Schnauben aus und schüttelte den Kopf. "Aha. Die Spitznamen werden ja echt immer besser." meinte er mit einem Schwung Ironie in der Stimme, bevor er kurz aufstand, Mittens auf dem Arm mittrug und den Kühlschrank öffnete. "Sorry, ich hab echt Kohldampf. Willst du auch was? Hab aber fast nichts da, ich ernähr mich ja die meiste Zeit von Pizza und Dosenzeugs." Er grinste, musterte den wenigen Inhalt des Kühlschranks und nahm sich schließlich nur einen Apfel, den er zwischen die Zähne klemmte und mit dem anderen Arm immernoch seine Katze mit sich herumtrug. Die schien das garnicht zu interessieren, sie schien es eher noch zu genießen und drückte die kleinen Pfoten an Charlie's Bauch.

Naya nickte einfach nur bestätigend. Das stimmte, der Leader hatte wirklich keine besondere Begabung für Spitznamen. Zumindest nicht was Charlie anging. Auf die Frage mit dem Essen hin, knurrte ihr Magen. Lachend nickte sie. "Tja, da hat mein Körper wohl für mich gesprochen.", meinte sie noch immer belustigt. Dann winkte sie ab. "Nicht so wild, ich bestelle auch immer." Jetzt, wo sie schon in New York war, hatte sie wirklich keine Lust zu kochen. Davon abgesehen, war sie nie wirklich gut darin gewesen. Zumindest in der Schule nicht. Wobei die Schule natürlich eigentlich keine besonders gute Vergleichsmöglichkeit war. Da hatte sie immerhin auch eine schlechtere Note in Sport bekommen, weil der Lehrer sie einfach nicht mochte. "Hast du eigentlich Geschwister?", fragte sie ihn schließlich nach einer Weile. Irgendwie würde sie das schon interessieren. Er hatte zwar schon von seiner Mutter und seinem Vater geredet, aber noch nie von einer Schwester oder einem Bruder.